Geschichte

Die stehengebliebene Zeit

Das mittelalterliche Gesicht Rothenburgs ist eine Dauerfolge des Dreißigjährigen Krieges

Die Geschichte Rothenburgs beginnt mit der Gründung der Pfarrei Detwang im Taubertal durch den ostfränkischen Adeligen Reinger um 970. Deren Kirche St. Peter und Paul wird die Mutterkirche der späteren Stadtkirche St. Jakobs. Noch hat die Stadt nicht ihren eigentlichen Ort gefunden, wo Rothenburg entstehen wird, wachsen vorerst weiterhin Bäume. Erst um 1080 errichten die Grafen vom Komburg eine Burganlage auf dem sogenannten „Essigkrug“ neben dem heutigen Spital. Damit hat die spätere weltberühmte mittelalterliche Stadt ihre endgültige Lage gefunden. Im Jahre 1116 fällt das Erbe der Grafen an das von ihnen gegründete Kloster Komburg (bei Schwäbisch Hall) und an das Stift Neumünster in Würzburg. Wiederum 26 Jahre später erwirbt König Konrad III., der erste Stauferkönig, das Areal der sich ganz langsam entwickelnden Stadt und lässt auf einem Bergsporn oberhalb der Tauber die „Rote Burg“ bauen, die im Jahre 1167 erstmals als „Castrum Imperiale“ (Reichsburg) bezeichnet wird. Zusammen mit einer Burgsiedlung geht daraus gegen Ende des 12. Jahrhunderts die Stadt hervor, die 1241 erstmals „Civitas“ genannt wird – 271 Jahre nach den allerersten Bauarbeiten auf diesem Areal. Sie verfügt bereits über einen einfachen Befestigungsring und eine Marktplatz, eine Stadtkirche und die Niederlassungen der Johanniter und des deutschen Ritterordens sowie dem Dominikanerinnen- und dem Franziskanerkloster.

Die staufische Stadt wird zunächst von königlichen Beamten geleitet. Schrittweise formt sich aus den Reihen einer patrizischen Oberschicht die bürgerliche Selbstverwaltung in Form einer Ratsverfassung, die durch zahlreiche königliche Privilegien unterstützt wird. Höhepunkt dieser Entwicklung ist das große Freiheitenprivileg König Rudolfs von 1274. Bis zum Ende des 14. Jahrhunderts ist Rothenburg faktisch eine fast autonome Stadt, die nur Kaiser und Reich als Obrigkeit anerkennt: eine Reichsstadt. Das älteste politische Organ Rothenburgs ist der sogenannte Innere Rat. Er war spätestens in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstanden, bestand anfangs aus zwölf Mitgliedern und wird zunächst einfach als Rat bezeichnet. Ihm trat seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ein zweites Organe zur Seite, der sogenannte Äußere Rat. Entsprechend besaß Rothenburg auch zwei Bürgermeister, davon kam je einer aus diesen beiden Räten. Sie bildeten das Exekutivorgan. Der Bürgermeister aus dem Inneren Rat vertrat die Interessen der Patriziergeschlechter, denen er entstammte. Sein Amtskollege aus dem Äußeren Rat vertrat die Handwerker. Der erstgenannte war somit Vertreter der „oberen“ Stadt, der andere der Repräsentant der „unteren“. Die Amtszeit der beiden Bürgermeister begann am 1. Mai und dauerte ein Jahr, wobei Wiederwahl möglich war.

Mit der Zunahme an Rechten und Freiheit wächst die Stadt auch räumlich. Sie bildet Vorstädte, die rasch in einen wehrhaften Befestigungsring eingebunden werden. Seit 1383 greift sie über die Mauern hinaus in die weitere Umgebung. Umfangreiche Güter, Landstriche und Rechte werden erworben und bilden nach wenigen Jahrzehnten ein stattliches städtisches Territorium von rund 400 Quadratkilometern, die sogenannte „Landwehr“, die seit etwa 1430 durch eine „Landhege“ geschützt wird.

Diese expansive Epoche fällt zusammen mit der Lebens- und Wirkungszeit des machtbewussten und überaus erfolgreichen Bürgermeisters Heinrich Toppler, der allerdings schließlich im Jahre 1408 widrigen machtpolitischen Umständen und einer rivalisierenden patrizischen Opposition zum Opfer fällt. Die Herrschaft der führenden städtischen Oberschicht mit einer aristokratisch geprägten Ratsverfassung bleibt bis zum Ende des „Alten Reichs“ Anfang des 16. Jahrhunderts abgesehen von einem Aufstand der handwerklichen Mittelschichten fast ununterbrochen bestehen.

Doch zu Beginn der Neuzeit häufen sich die Ereignisse, die das öffentliche Leben und die rechtliche, soziale und religiöse Struktur der Stadt in der Folgezeit einschneidend verändern. Bis 1521 werden die Mitglieder der einst zahl- und einflussreichen jüdischen Gemeinde aus der Stadt vertrieben. 1525 schwächen soziale Unruhen und die Verquickung mit dem Bauernkrieg die Stadt. Im Jahre 1544 verlässt Rothenburg mit der Aufnahme der evangelisch-lutherischen Reformation die bisherigen kirchlich-religiösen Bindungen. Die beiden Klöster werden aufgelöst. Die Stadt verliert an politischer Bedeutung, bleibt aber – vor allem aufgrund ihres reichen agrarischen Hinterlandes – ein wirtschaftlich gewichtiger Faktor in der Region.

Dies ändert sich durch den Dreißigjährigen Krieg. Als protestantische Stadt leidet Rothenburg nicht nur unter einem permanenten Loyalitätskonflikt mit dem katholischen Stadtherrn, dem Habsburger Kaiser – sie wird auch aufgrund von Durchzügen, Einquartierungen, erpresserischen Kontributionen und Beutezüge wirtschaftlich ruiniert. Mehrfach wird sie Ziel militärischer Eroberungen. Hinzu kommt, dass ihre Bevölkerung von Seuchen dezimiert wird.

Danach versinkt Rothenburg in einen mehr als 200-jährigen „Dornröschenschlaf“. In dieser Zeit spielt die Stadt in der Geschichte nur eine sehr untergeordnete Bedeutung. Sie hat noch nicht einmal genug Mittel, ihre Häuser zeitgemäß zu erneuern, zu modernisieren und das Stadtbild technischen Entwicklungen anzupassen. Aus heutiger Sicht ein sehr glücklicher Umstand – hat sie doch so als einzige deutsche Stadt in fast vollem Umfang ihr ursprüngliches Aussehen bewahrt, von dem sie heute als „mittelalterliches Disneyland“ touristisch profitiert und das sie in aller Welt berühmt gemacht hat.

Zwar behält Rothenburg nach Ende des Dreißigjährigen Krieges noch anderthalb Jahrhunderte seine „Reichsunmittelbarkeit“. Doch in dieser Zeit kann die Stadt dennoch nicht ihren früheren Einfluss zurückgewinnen. Das Privileg endet schließlich in den Jahren 1802 und 1803, als im Zuge der mitteleuropäischen „Flurbereinigung“ Napoleons die Stadt an das Königreich Bayern fällt. Zudem wird 1810 auch noch der westliche Teil ihres ehemaligen Landgebietes an Württemberg abgetreten.

Rothenburg erholt sich erst allmählich wieder von den Folgen des Dreißigjährigen Krieges, als die Stadt 1873 an das innerdeutsche Eisenbahnnetz angeschlossen wird. Schon vorher ist die Stadt durch Künstler, Literaten und Wissenschaftler „wiederentdeckt“ und einer breiten nationalen, immer stärker auch internationalen Öffentlichkeit als Inbegriff „altdeutscher“ Städtebaukunst präsentiert worden. Der Fremdenverkehr beginnt eine entscheidende Rolle im städtischen Wirtschaftsleben zu spielen. Aber auch die Industrialisierung, wenn auch auf bescheidenem Niveau, hält Einzug. Die Einwohnerzahl wächst erstmals wieder nennenswert, die Stadt prosperiert.

Von 1871 an lässt sich auch nach Jahrhunderten wieder eine kleine jüdische Gemeinde in Rothenburg nieder. Mit ihrer Vertreibung 1938 setzt die Stadt, die seit 1933 als Musterort im Kulturbetrieb des Dritten Reiches gilt, einen ihr mehr als unwürdigen historischen Akzent. Einen weiteren setzt ein amerikanischer Luftangriff in den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges. Durch ihn werden rund 45 Prozent des alten, mauerumgürteten Stadtgebietes zerstört. Die Zerstörung betraf hauptsächlich den Ostteil der Altstadt und wurde später durch großzügige Spendenbeteiligung der Amerikaner wieder aufgebaut. Dieser gelungene Wiederaufbau in den Nachkriegsjahren ist die bedeutendste Leistung in Rothenburgs neuester Geschichte.

Die jüngere Geschichte Rothenburgs verläuft bisher vergleichsweise unspektakulär. Sie diente mehrmals als Filmkulisse uns ist heute vor allem eine internationale Touristenattraktion. Bis ins Jahr 1972 war die Stadt kreisfrei und auch Sitz des Landkreises Rothenburg und führte deshalb ein eigenes Kfz-Kennzeichen: ROT. Mit der bayerischen Gebietsreform wurden die Stadt und der bisherige Landkreis mit Wirkung vom 1. Januar 1972 dem Landkreis Ansbach zugeordnet. Die Stadt behielt allerdings den Status einer Großen Kreisstadt. Sie ist damit die kleinste Große Kreisstadt in Bayern. Seit dem 10. Juli 2013 ist das Kennzeichen ROT offiziell auch für Neuzulassungen wieder verfügbar.

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